Frage zu Ethik, Gerechtigkeit
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Hallo zusammen, also wie machen in Ethik ein Projekt zum Thema Gerechtigkeit, und da ist mir irgendwie mal die Frage gekommen, ob es denn echten Gerechtigkeitssinn wirklich verbreitet ist, oder ob es nicht die Außnahme ist, dass Leute den haben.
Auf den ersten Blick wirkt es natürlich so, dass Gerechtigkeitssinn bei vielen Menschen sehr ausgeprägt ist. Sehr oft hört man "das ist ungerecht" oder "das ist diskriminierend", manchmal geraten Menschen richtig in Wut bei Diskussionen, wo sie meinen, dass bestimmte Zustände in der Gesellschaft oder Gesetze nicht fair sind.
Aber wenn man mal näher hinschaut, ist es in 95% der Fälle so, dass sie einfach selber drunter zu leiden haben.
Ein Ausländer mag sich z. B. furchtbar darüber aufregen, dass man ihn nicht als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft ansieht, aber selber, wenn er wieder in seinem eigenen Land ist, ist ihm das egal, was mit den Ausländern in seinem Land passiert. Z. B. hab ich das so oft schon bei Italienern erlebt (nicht falsch verstehen, das ist nur ein Beispiel!!), die sich hier in Deutschland aufregen, dass sie ungerecht behandelt werden, aber wenn sie wieder in Italien sind, haben sie Null Toleranz gegenüber den rumänischen Migranten.
Ich könnte jetzt noch viele Beispiele anführen, aber egal obs jetzt Reich - Arm, Jung - Alt, Mann - Frau, Hundebesitzer - Nicht-Hundebesitzer, Raucher - Nichtraucher oder was auc immer ist, mir scheint es wirklich so zu sein, dass Leute nur für die Gruppe, zu der sie auch gehören, Partei ergreifen. Das beste daran ist aber, dass sich viele anscheinend vormachen, dass das alles so ok und gerecht ist. Und dann werden sie oft noch sehr emotional dabei.
Andersrum, wenn es an ihre Privilegien geht und sie selbst darunter leiden müssten, wenn es irgendwo offensichtliche Ungerechtigkeiten abgeschafft werden, dann basteln sie sich Erklärungen zusammen, warum es doch insgesamt gesehen gerecht ist, wenn es so bleibt wie es ist.
Also ich stelle hiermit die These auf, dass es die absolute Ausnahme ist, dass Leute echten Gerechtigkeitssinn haben! Was meint ihr? -
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goape schrieb:
Also ich stelle hiermit die These auf, dass es die absolute Ausnahme ist, dass Leute echten Gerechtigkeitssinn haben! Was meint ihr?
Gerechtigkeit wird über die Gesellschaft definiert; diese beruht auf gewisse Norm- und Wertvorstellungen der Mehrheit. Da diese Normen und Werte auch nur vom Menschen selbst kommen, also nicht "echt" sind, gibt es auch keinen "echten" Gerechtigkeitssinn. Der wandelt sich ebenso wie sich die Gesellschaft wandelt. -
das hat sonok schön gesagt
goape stellt erbaut ein interessantes gedankengebäude. aber er unterlegt eine "objektiven" gerechtigkeitsbegriff
gerechtigkeit als solche ist keine konstante.
gerechtigkeit ist ein angestrebtes ideal dass sich gesellschaftsabhängig definiert und also immer den jeweiligen moden unterliegt.
das ideal ist in der anwendung immer auch durch personen subjektiv gefärbt.
so kann es sein dass 2 verschiedene richter in einem gerichtsprozess (richter nehme ich mal beispielhaft als personen die einer höheren gerechtigkeit verpflichtet sind) zu verschiedenen richtsprüchen gelangen. je nach persönlichem eindruck. -
Ich widerspreche: Gerechtigkeit kann nur sein, wenn für alle das Gleiche gilt. Dabei muß Stärke und Schwäche angeglichen werden.
Zwei Richter, die in einem Kasus unterschiedliche Urteile fällen - ohne daß mildernde Umstände oder die Besondere Schwerte der Tat in einem (und nur einem) Falle geltend gemacht werden können - handeln nicht gerecht sondern willkürlich.
Gerechtigkeit hat weder etwas mit persönlichem Rechtsempfinden noch it gesellschaftlicher Definition zu tun, sondern lediglich mit Gleichheit, wenn alle Vorzeichen gleich sind.
Recht kann man sprechen. Gerechtigkeit ist oder ist nicht. -
das stimmt wohl dass richter nicht "gerechtigkeit" sprechen sondern richtsprüche
ihr dahinterliegendes ideal ist aber wohl die reine, abstrakte gerechtigkeit
und ohne willkür werden sie im sinne dieses gerechtigkeitsideals verschieden entscheiden
gerechtigkeit besteht also wie druid vielleicht meinte als abstraktes ideal
diesselbe ideal lässt sich je nach persönlicher einsicht differenziert interpretieren und ist also nicht operabel und herstellbar -
sonok schrieb:
das würde ja bedeuten, dass wir nicht mehr sagen dürfen "Es war nicht gerecht, dass Sophie Scholl wegen landesverräterischer Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt wurde." stattdessen müssen wir sagen "Es war sehr wohl gerecht, dass sie zum Tode verurteilt wurde. Zwar sehen wir es heute nicht mehr als gerecht an, aber das ist rein subjektiv."goape schrieb:
Also ich stelle hiermit die These auf, dass es die absolute Ausnahme ist, dass Leute echten Gerechtigkeitssinn haben! Was meint ihr?
Gerechtigkeit wird über die Gesellschaft definiert; diese beruht auf gewisse Norm- und Wertvorstellungen der Mehrheit. Da diese Normen und Werte auch nur vom Menschen selbst kommen, also nicht "echt" sind, gibt es auch keinen "echten" Gerechtigkeitssinn. Der wandelt sich ebenso wie sich die Gesellschaft wandelt.so kann es sein dass 2 verschiedene richter in einem gerichtsprozess (richter nehme ich mal beispielhaft als personen die einer höheren gerechtigkeit verpflichtet sind) zu verschiedenen richtsprüchen gelangen. je nach persönlichem eindruck.
Dem ist leider so. Das Bundesverfassungsgericht hat z. B. oft Urteile nicht einstimmig gefällt. Trotzdem kann man sich da auf den Standpunkt stellen, dass es die wirkliche Gerechtigkeit gibt, aber eben nicht immer ausreichend von Menschen erkannt werden kann. -
goape schrieb:
[...] die wirkliche Gerechtigkeit gibt, aber eben nicht immer ausreichend von Menschen erkannt werden kann.
Nicht ausreichend erkannt? Da alles subjektiv wahrgenommen und beurteilt wird, wie soll dann jemand einen objektiven Gerechtigkeitsbegriff definieren können? -
IMHO gibt es ja auch eine objektive Wirklichkeit, eine objektive Wahrheit, die wir halt nicht immer erkennen. "Die Sonne dreht sich um die Erde" ist halt einfach falsch, nicht nur subjektiv, sondern objektiv. Warum sollte es nicht auch eine objektive Gerechtigkeit geben?
Frage: Wie sieht es denn mit Ethik aus, das hängt ja eng damit zusammen, ist die für dich auch rein subjektiv? Ist es nicht wirklich schlecht, wenn gemordet wird, ist das nur eine Mode, so wie wir uns die Hände schütteln?
Beitrag zuletzt geändert: 7.11.2010 20:34:05 von goape -
Nun stell Dir einmal jemanden vor, der sein ganzes Leben dazu nutzt, Schaden an seinen Mitmenschen anzurichten und diese zu quälen, der sich vernünftiger Argumentation verschließt, den man wegsperrt und wenn er rauskommt fängt der wieder von vorne an.
Wenn jetzt eines seiner Opfer ihn aus purer Verzweiflung tötet, weil es sich nicht mehr anders zu helfen weiß...
Ist das "schlecht" oder "böse" ?
Es gibt einen objektiven Begriff von Gerechtigkeit. allerdings ist unsere wahrnehmung davon - wie sonok anmerkte - subjektiv: Was wir als gerecht empfinden, muß sich für jemand anderen nicht genauso darstellen. -
goape schrieb:
IMHO gibt es ja auch eine objektive Wirklichkeit, eine objektive Wahrheit, die wir halt nicht immer erkennen. "Die Sonne dreht sich um die Erde" ist halt einfach falsch, nicht nur subjektiv, sondern objektiv. Warum sollte es nicht auch eine objektive Gerechtigkeit geben?
Unterschied von beobachtbaren Begebenheiten der Natur und Gedankenkonstrukten des Menschen. Somit kein guter Vergleich.
Frage: Wie sieht es denn mit Ethik aus, das hängt ja eng damit zusammen, ist die für dich auch rein subjektiv? Ist es nicht wirklich schlecht, wenn gemordet wird, ist das nur eine Mode, so wie wir uns die Hände schütteln?
Jemanden umbringen ist erstmal eine Tat ohne gut oder schlecht; eine Tat gut oder schlecht nennen ist eine Bewertung. Diese Bewertung ist meiner Ansicht nach abhängig von Ort und Zeit (und den sich daraus ergebenden Faktoren von Gesellschaft; Normen usw usf). -
Mein BWL-Dozent hat mal ein Zitat gebracht: Moral kommt nach dem Fressen!
Ich glaube das ist das Problem: Gerechtigkeitssinn ist ein Luxus, der für den Einen "sehr leicht" auszuleben ist und für den Anderen ein echter Kraftakt! Ich denke jeder hat ihn... Aber der Unterschied besteht im Maß. Es gibt Menschen, die "mit zweierlei Maß messen". Bei denen ist das Rechtempfinden als Betroffener groß, aber Unrecht bei Anderen wird ignoriert. Wer also schafft, eine Situation Anderer ähnlich der eigenen Situationen zu bewerten, wird im allgemeinen von Außenstehend als ein Mensch mit hohem Gerechtigkeitssinn angesehen...
StefanFIA -
"Gerechtigkeit ist das, was dem Stärkeren Vorteil verschafft" - Sophist Thrasymachos aus Platos Republik
Heißt, dass wenn ich eine Monarchie habe, dann ist das Gerecht, was der Monarch sagt, denn er ist der "Stärkere".
Heißt auch, wenn ich eine Demokratie habe, dass dann das Gerecht ist, was dem Volk Vorteil verschafft, denn es ist der Souverän und somit der "Stärkere".
Problem jedoch: Stark relativistisch und selbst bei einer Einzelherrschaft, der Einzelne nicht die Zukunft vorhersagen kann, wird er nicht immer Entscheidungen treffen können, die im Vorteil verschaffen und somit nicht immer gerecht handeln können.
So könnte der Monarch die Steuern auf 70% steigern, das bringt ihm kurzzeitig vielleicht einen Vorteil, doch es könnte auf Dauer Unruhen im Volk hervorrufen und dann zu seiner Absetzung führen.
Das ist nur ein Aspekt, der in Platos Republik behandelt wird, denn Platos Sokrates leitet sein Werk schon am Anfang mit der Frage ein "Was ist Gerechtigkeit" und auch wenn nicht alle mit seinen Meinungen übereinstimmen, so regt er uns ständig zum Überdenken der eigenen Begriffe an und deshalb würde ich jedem empfehlen dieses Buch einmal studiert zu haben. -
stefanfia schrieb:
Mein BWL-Dozent hat mal ein Zitat gebracht: Moral kommt nach dem Fressen! ...
Dieses Zitat ist aus Berthold Brechts Dreigroschenoper, es steht in der "Ballade über die Frage: Wovon lebt ein Mensch?"
(siehe Redensarten-Index.de)
Wörtlich lautet es:
Erst kommt das Fressen, dann die Moral
Friedrich Dürrenmatt hat übrigens sogar einst einen "Monstervortrag über Gerechtigkeit und Recht" geschrieben und gehalten (Text ist aber nicht online, er ist, soviel ich weiß, 1969 im Verlag Die Arche erschienen), aus dem ich folgendes Zitat online gefunden habe (http://lehrerfortbildung-bw.de/faecher/deutsch/bs/duerrenmatt/teil2/ppt2/):
„Das Recht des einzelnen besteht darin, er selbst zu sein: dieses Recht nennen wir Freiheit. Sie ist der besondere Begriff der Gerechtigkeit, den ein jeder von sich macht, die existenzielle Idee der Gerechtigkeit. Das Recht der Gesellschaft besteht dagegen darin, die Freiheit eines jeden einzelnen zu garantieren, was sie nur vermag, wenn sie die Freiheit eines jeden einzelnen beschränkt. Dieses Recht nennen wir Gerechtigkeit, sie ist der allgemeine Begriff der Gerechtigkeit, eine logische Idee.“
Nach Dürrenmatt enthält Gerechtigkeit also sogar eine gewisse Paradoxie ("Das Recht der Gesellschaft besteht dagegen darin, die Freiheit eines jeden einzelnen zu garantieren, was sie nur vermag, wenn sie die Freiheit eines jeden einzelnen beschränkt...") -
sonok schrieb:
goape schrieb:
Also ich stelle hiermit die These auf, dass es die absolute Ausnahme ist, dass Leute echten Gerechtigkeitssinn haben! Was meint ihr?
Gerechtigkeit wird über die Gesellschaft definiert; diese beruht auf gewisse Norm- und Wertvorstellungen der Mehrheit. Da diese Normen und Werte auch nur vom Menschen selbst kommen, also nicht "echt" sind, gibt es auch keinen "echten" Gerechtigkeitssinn. Der wandelt sich ebenso wie sich die Gesellschaft wandelt.
Also ich find nicht dass das so ist.. Klar legt die Gesellschaft gewisse Normen und Gesetze vor, jedoch gibt es meiner Meinung nach nur eine Definition von echter Gerechtigkeit. -
yorecords schrieb:
[...], jedoch gibt es meiner Meinung nach nur eine Definition von echter Gerechtigkeit.
Na dann laß mal hören -
sonok schrieb:
Na dann laß mal hören
Ob etwas gerecht ist oder nicht liegt nicht bei der Bewertung von irgenwem sondern lediglich bei dem Punkt ob das nun so ist oder nicht. Ob in der Situation nun alle gleich behandelt werden oder ob da vielleicht irgenwelche Vorbehalte etc. im Spiel sind.
Klar hat jeder seine eigenen Vorstellungen von allem, jedoch ist die universale Realität eine messbare Sache. Die Tatsache dass jeder in seiner eigenen Realität lebt hat damit nicht viel zu tun... -
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